Zunächst einmal ist klarzustellen, dass ich nicht so viel von Chart-Technik halte.
Es passt auch nicht zum Value-Investing.
Es gibt Leute, die das Momentum der Aktie kombinieren mit Value-Investing, um die Aktien erst während der steigenden Phase zu kaufen.
Ich halte das aber für problematisch, weil man auch so einen Teil der Performance verpasst.
Allerdings gibt es grössere Muster bzw. Momentum-Effekte, die mir auch aufgefallen sind.
Beispielsweise sind Unternehmen wie Tamedia oder Feintool seit Jahren am Sinken.
Ich glaube, wenn ein Unternehmen über 1 Jahr gesunken ist, besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass es die nächsten 6 Monate weiterhin sinkt.
Das Problem ist: Wartet man auf tiefere Kurse, so kann man ewig warten und irgedwann steigen die Aktien.
Was will man dann machen? zu höheren Kursen kaufen?
Auch wenn man glaubt, es gehe jetzt aufwärts, so haben Beispiele wie Tamedia doch gezeigt, dass es immer wieder aufwärts-Bewegungen gibt, nur um dann noch weiter zu sinken.
Beispielsweise Hochdorf: Seit Jahren geht es abwärts, am 20.August ist die Aktie kurzzeitig auf 51.90 CHF abgesackt, ist seither um rund 55% gestiegen.
Aber solche Muster gab es in der Vergangenheit mehrmals.
Danach sank der Kurs noch weiter.
Man weiss aber nie, ob es jetzt nicht wirklich dauerhaft aufwärts geht.
Also ich würde sagen:
Ein mehrjähriger Trend (mindestens 2 Jahre) kann schon etwas aussagen.
Aber richtet man sich danach, kann man die Aktie nie kaufen, weil man ja ständig weiter sinkende Kurse erwartet, aber irgendwann sinkt die Aktie eben nicht mehr.
Meine Lösung ist, nach festen Bewertungen zu kaufen, zB unterhalb von KBV 0,6 (dh mindestens 40% Abschlag zum Buchwert). Damit habe ich in der Vergangenheit gute Erfahrungen gemacht.
Natürlich muss das Unternehmen fundamental gesund sein und weiterhin Gewinne machen.
Ich habe mal für mich die Aktien in 2 Kategorien geteilt:
Kategorie 1
Absturz - rasche Teilerholung - Stagnation
Beispiele:
VW September 2015 bis Oktober 2019.
Diese Aktien stürzen aufgrund einer Schocknachricht (Betrug, riesige Verluste)
um 30 bis 60% ab in weniger als 3 Monaten.
Danach stagniert der Aktienkurs knapp über dem Tiefpunkt in einer Bandbreite von 20%
für ein paar Monate.
Danach geht der Kurs in ein um 20-50% höheres Band und verbleibt dort 1-2 Jahre,
danach wiederholt sich das ständig.
Dies liegt an der Angst der Aktionäre nach dem einmaligen riesigen Schock.
Auch wenn das Problem langsam aufgearbeitet wird und das Unternehmen fundamental gesund ist und die Krise voraussichtlich übersteht und weiterhin Gewinne macht, fehlt das Vertrauen der Anleger.
Die Aktie steigt in Schüben und stagniert danach jeweils mindestens 1 Jahr.
Am Schluss dürfte ein kontinuierlicher Anstieg folgen, das kann aber auch über 5 Jahre seit dem Schockereignis sein.
Hier müsste man die Aktie direkt nach dem Skandal (wo aber die Auswirkungen auf die Überlebensfähigkeit der Gesellschaft noch unklar sind) die Aktien kaufen,
wobei danach die Gewinne lange stagnieren könnten und daher nachher immer noch Zeit für einen Kauf bleibt.
Kategorie 2
Jahrelanger leichter abwärtstrend, ohne erkennbare Ursache.
Beispiele:
Tamedia Februar 2015 bis Oktober 2019.
Hochdorf 2018 und 2019.
Diese Aktien schwanken in einer gewissen Bandbreite und sinkt dann etappenweise jedes Jahr 1 bis 2 mal um 10-20% und schwankt dann auf diesem tieferen Niveau weiter.
Diese Abwärtstendenz wird durch einzelne enttäuschende Geschäftszahlen, teifere Gewinne, verschlechterte Aussichten usw. verursacht.
Anstatt etapenweise kann der Kurse auch sehr langsam über längere Zeit sinken.
Der jährliche Kursverlust dürfte etwa 10 bis 40% betragen, je nach Art und Häufigkeit der schlechten Nachrichten.
Hierbei geht es um fundamentale Probleme, die aber die Existenz des Unternehmens nur leicht bedrohen, dh mit hoher Wahrscheinlichkeit innert 5 Jahren lösbar sind.
Die Problemlösung verzögert sich aber, immer wieder müssen Gewinnerwartungen gesenkt werden, was nach und nach das Vertrauen der Anleger erschreckt.
Die Kurse können auch mal sehr rasch absacken (über 30% unter 3 Monate),
sich dann wieder leicht erholen und dann erneut über 30% in unter 3 Monaten absacken.
Früher oder später wird sich der Kurs erholen.
Aber bei stärkeren Rückgängen gibt es mehrmals nacheinander kurzfristige (bis 3 Monate) Erholungen, nur um danach noch weiter zu sinken.
Hier hat man sehr viel Zeit, die Aktie zu kaufen, zum Teil nach Entdeckung noch mehrere Jahre, und es ist mit mehreren Nachkäufen zu rechnen.
Die Kategorien sind nur anwendbar bzw. machen Sinn, bei Unternehmen, die mit über 80% Sicherheit nicht insolvent werden in den nächsten 5 Jahren.
Also wie bei VW, wo man weiss, sie können alle Strafen voraussichtlich bezahlen und auf lange Sicht geht das Unternehmen gestärkt aus der Krise und wird die Fehler hoffentlich nicht mehr wiederholen.
Oder wie bei Tamedia oder Hochdorf, wo es zwar bei Hochdorf Verluste gab, aber man kann davon ausgehen, dass die Firma gerettet wird, weil eigentlich machen sie auf lange Sicht stets Gewinne und es ist auch in Zukunft nicht absehbar, dass sich daran was ändern sollte, auch wenn es ein paar Jahre lang Probleme gab.
Meine persönliche Lösung ist ganz einfach:
Ich schaue auf die Bewertung (die ich mit meinem eigenen Programm Value Calculator mache) und kaufe nach, wenn die Aktie weiter sinkt, das bringt auf lange Sicht am Meisten.
Für Aktien, die heute tiefer als vor 6 Monaten stehen, überlege ich mir, beispielsweise eifnach den Tiefstkurs der letzten 6 Monate als Kaufkurs einzugeben.
Also eine Aktie ist von 50 auf 40 CHF gesunken die letzten 6 Monate und ist jetzt massiv unterbewertet (weil sie schon früher sank), zwischenzeitlich war sie kurz auf 35 CHF:
Da könnte man ja extre die 35 als Kaufkurs eingeben.
Das Problem ist halt, dass man nie weiss, ob dieser Kurs jemals wieder erreicht wird.
Aber die Erfahrung lehrt uns, dass in einem solchen Szenario es meist nochmals etwas tiefer geht (weil die Aktie seit Jahren sinkt, warum sollte genau heute der Tiefpunkt gewesen sein?).